Buss: Dynamische Landschaften
Franca Buss, M.A.: Dynamische Landschaften
Trotz der kunsttheoretischen Abwertung der Landschaftsmalerei als bloßes Beiwerk oder minderwertige Gattung wird die Landschaft in der Frühen Neuzeit selbst nicht nur als Quelle der Inspiration und Erholung geschätzt, sondern zusätzlich auch als Schauplatz von (Natur-)Kräften bewundert und gefürchtet, als Nutzfläche kontrolliert und als Ressource gebraucht. Gleichzeitig ist die Landschaft Trägerin von Vorstellungen, Wünschen und Erinnerungen. Die Landschaft ist also alles andere als bedeutungslos. Vielmehr ist sie als Ergebnis natürlicher Prozesse und als Ausdruck kultureller und ökonomischer Kräfteverhältnisse zu verstehen. Das Forschungsprojekt untersucht das mehrdimensionale Verständnis von Landschaft als Imaginarium und dynamischem Raum, betrachtet ihre Darstellungsbedingungen in der Frühen Neuzeit und prüft ihre potentiellen Wirksamkeiten.
Die Landschaft gilt als ein ästhetisch gewählter Ausschnitt der Natur und Produkt der Entfremdung des Menschen von der Natur, wobei die Erfahrung des Landschaftlichen vor allem auf Visualität beruhe (J. Ritter). Hinzukommt, dass die geologischen und kulturellen Kräfte in den meisten Fällen nur über einen sehr langen Zeitraum wirken und damit nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Folglich wird die Landschaft häufig als statisch wahrgenommen. Die Studie zielt darauf ab, die Landschaft nicht nur aus ihrer Charakterisierung als Sinnbild für Dauer zu lösen, sondern auch ihre dynamische Handlungsmacht herauszuarbeiten. Dementsprechend sucht die Studie nach Landschaften, die sich weder als reine Hintergrundfolie den Betrachter:innen passiv darbieten, noch als bloße Kulisse für eine sich im Vordergrund abspielende Handlung dienen. Im Fokus der Betrachtung stehen stattdessen solche Landschaftsdarstellungen, die die Dynamiken und die natürlichen, kulturellen und ökonomischen Kräfterelationen durch die sich die Landschaft formt, ästhetisch reflektieren und sichtbar machen.
Zeitlich orientiert sich das geplante Projekt zwischen der sogenannten ‚Erfindung der Landschaft‘ in der Frührenaissance und dem ‚langen‘ 18. Jahrhundert, in dem sich mit der Industrialisierung eine sentimentale Sehnsucht als ‚Rückkehr zur Natur‘ entwickelt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Zeiten, die im Kanon der Kunstgeschichte als Blütezeiten der Landschaftsmalerei gelten und zugleich Wendepunkte beschreiben, in denen das Verhältnis von Dynamik und Landschaftsraum neu bestimmt und reflektiert wird.