TAGUNG
»FORM- UND BEWEGUNGSKRÄFTE«
Konzeption: Frank Fehrenbach, Lutz Hengst, Frederike Middelhoff, Cornelia Zumbusch
Veranstaltungsdatum: 16.-18. Januar 2020
Veranstaltungsort: Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, 20249 Hamburg
Keine Anmeldung erforderlich.
Beschreibung
Der Umgang mit Kräften gehört zum Grundinventar künstlerischer Verfahren. Zug und Stoß, Schwere und Levitation, Einprägung und Druck betreffen bereits den konkreten Umgang mit dem Material. Kinesis und Motorik, Motion und Emotion kommen in der bildenden Kunst wie in Tanz, Theater, Film und Literatur zum Tragen. Kraftvorstellungen haben aber auch die theoretische Reflexion auf die Produktion wie auf die Rezeption von Kunst in grundlegender Weise angeleitet. So bezeichnet etwa die klassische Rhetorik mit energeia, vis und movere das Leistungsprofil der Rede, das von hier auch zur Beschreibung der Wirkungsdimensionen der Dichtung wie auch der Bilder genutzt worden ist. In der Plausibilisierung einer solchen Kraft der Künste spielen wiederum anthropologische, insbesondere (wahrnehmungs-)psychologische Konzepte eine entscheidende Rolle. Auf welche Weise sich die Künste dabei in der steten Auseinandersetzung – sei es der Handhabung, der Erforschung oder dem metaphorischen Selbstvergleich – mit den in der Natur wirksamen Form- und Bewegungskräften entwerfen, ist noch nicht systematisch erschlossen worden. Hier möchten wir im Rahmen der ersten Tagung der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe »Imaginarien der Kraft« ansetzen.
Die Vorstellung, dass bestimmte Kräfte sowohl für die Formgebung von Materie als auch für Veränderungsprozesse durch Bewegung verantwortlich sind, lässt sich bis in die Antike nachzeichnen. Dabei erweist sich nicht nur die aristotelische Auffassung der Seele, die »als Prinzip der Bewegung« verstanden und mit inhärenten, auf Vollendung (entelecheia) angelegten Kräften in Verbindung gebracht wird, als wirkmächtiges Konzept, das in der Naturgeschichte und Anthropologie, der Rhetorik und Ästhetik sowie in den Künsten und der Literatur entfaltet wird. Auch die Unterscheidung zwischen dynamis, dem latenten Vermögen der Zustandsveränderung, und energeia, der tatsächlichen Manifestation solcher Veränderung, sowie kinetische Bewegungskonzepte von Aristoteles wurden in verschiedenen Wissenschaftsbereichen, in der Bildenden Kunst und der literarischen Fiktion bis heute verarbeitet. Gleichermaßen einflussreich erscheint Newtons – auf spätmittelalterliche Vorprägungen rekurrierende – Differenzierung zwischen immanent-trägen »eingepflanzten« und von außen auf einen Körper gewaltsam »eingedrückten« Kräften, die die Vorstellung von Form- und Bewegungskräften in den Naturwissenschaften geprägt hat.
An solchen Punkten sind die Fragen angesiedelt, die im Rahmen der Tagung aus möglichst multidisziplinärer Perspektive diskutiert werden sollen: Welche Vorstellungen von Form- und Bewegungskräften waren und sind in den verschiedenen Künsten und Wissenschaften maßgeblich? Wie werden diese Vorstellungen ästhetisch und konzeptuell zur Anschauung gebracht? Und in welchem Verhältnis stehen Form- und Bewegungskräfte überhaupt zueinander bzw. wie wurden und werden diese in konkreten Entwürfen (etwa der figura serpentinata) oder abstrakteren Konzepten (Formkräfte bspw. als Motoren epochaler Umbrüche) zusammengebracht? Die Tagung versammelt Beiträge aus Kunst- und Wissensgeschichte, aus Literatur- und Kulturwissenschaften sowie aus historisch und theoretisch interessierten Lebenswissenschaften, die das Themenfeld der Form- und Bewegungskräfte zu erschließen suchen.
Programm
Programm (aktualisiert am 16.01.2020)
Veranstaltungsort: Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, 20249 Hamburg
Donnerstag, 16. Januar 2020
15.00 | Begrüßung: Frank Fehrenbach, Cornelia Zumbusch |
15.30 |
Moderation: Frederike Middelhoff Vera Keller (Eugene, OR): »Redirecting Force in the Kunstkammer: Johann Daniel Major (1634-1693) and the Tactica Conclavium« |
16.15 | Kaffeepause |
16.45 |
Moderation: Lutz Hengst Isa Wortelkamp (Leipzig): »Transformationen. Der ›Serpentinentanz› Loïe Fullers in Bewegung und als Bild« |
17.45 | Ivo Raband (Hamburg): »Der SchwerKRAFT enthoben: Fliegen und Schweben in der Skulptur der Vormoderne« |
Freitag, 17. Januar 2020
9.30 |
Moderation: Cornelia Zumbusch Simone de Angelis (Graz): ›Ins Innere der Natur dringt kein erschaffner Geist‹. Albrecht von Hallers Konzeption der ›Kraft‹ und die strategische Rolle der ›Wissenschaften vom Leben‹ in der Beziehung von Anthropologie und Geschichtsdenken der Spätaufklärung |
10.30 | Hubert Thüring (Basel): »Viel ›Form‹ und wenig ›Kraft‹. Bildung bei Karl Philipp Moritz« |
11.15 | Kaffeepause |
11.45 |
Moderation: Dominik Hünniger Ryan Feigenbaum (Notre Dame, IN): »The Limits of Force to Explain Life in Early German Biology and Beyond« |
12.30 | Matthew Vollgraff (London): »Botanik als Technik« |
13.15 | Mittagspause |
14.45 |
Moderation: Adrian Renner Malika Maskarinec (Basel): »The Will to Form: The Forces of Form and the Shape of Objects in nineteenth-century German Aesthetics« |
15.30 | Jasmin Mersmann (Linz): »Starke Stimmen. Zur Transformation der Kraft des Samens in Gesang« |
16.15 | Kaffeepause |
16.45 |
Moderation: Caroline Herfert Caroline Torra-Mattenklott (Aachen): »Plötzliches Italien. Bewegungskräfte und literarische Form in Kafkas frühen Reisetexten« |
Samstag, 18. Januar 2020
9.30 |
Moderation: Frank Fehrenbach Magdalena Holzhey (Krefeld): »Materielle und geistige Kräfte der Transformation: Joseph Beuys und Marcel Duchamp im Dialog« |
10.30 | Schirin Kretschmann (Berlin): »Liquid Matter(s)« |
11.15 | Kaffeepause |
11.45 |
Moderation: Philipp Müller Janina Wellmann (Lüneburg): »Moving at Low Reynolds Number: Viscosity, Inertia and Icroscopic Swimmers« Der Vortrag von Janina Wellmann muss leider kurzfristig entfallen. |
Sophie Wennerscheid (Kopenhagen): »Die unheimlichen Kräfte der Natur im zeitgenössichen skandinavischen ›Speculative Fiction‹-Film« | |
13.30 | Ausklang/Abreise |