Prof. Dr. Frank Fehrenbach

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Vita
Studium der Kunstgeschichte, der Mittelalterlichen und Neueren Geschichte und der Philosophie in Tübingen und Basel. 1992–1995 Mitarbeit am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen (Arbeitsgruppe »Kulturgeschichte der Natur«). 1995 Promotion an der Universität Tübingen. 1995–96 Postdoc-Stipendiat an der Bibliotheca Hertziana, Rom. 1996–2001 Assistent am Kunsthistorischen Institut, Florenz. 2003 Habilitation an der Universität Basel. 2003–2005 Forschungsstipendiat der Fritz Thyssen-Stiftung. 2005 Ruf an die Otto Friedrich-Universität, Bamberg (abgelehnt). 2005–2013 Senior Professor an der Harvard University. 2013–2018 Leitung der Forschungsstelle »Naturbilder/Images of Nature« am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg. Seit 2019 Co-Sprecher der Kolleg-Forschungsgruppe »Imaginarien der Kraft«. 2020–2022 Sprecher des Präsidiums des Hamburg Institute for Advanced Study. - Gastprofessuren in Berlin, Jena, Cambridge MA, Florenz, Paris und Shanghai. - Fellowships: 2010–2011 Wissenschaftskolleg, Berlin; 2018–2019 DFG-Kolleg-Forschergruppe »BildEvidenz«, FU Berlin; 2024 Italian Academy, Columbia University New York. - Preise und Auszeichnungen: Hans Janssen-Preis für Europäische Kunstgeschichte der Akademie der Wissenschaften, Göttingen (1996); Preis der Aby Warburg-Stiftung, Hamburg (2004); Humboldt-Professur der Alexander von Humboldt-Stiftung (2013); Hamburger Lehrpreis (2023).
Publikationen
Projektrelevante Publikationen
Bücher/Einzelpublikationen:
- (Hg. mit Laura Isengard, Gerd Micheluzzi und Cornelia Zumbusch): Wahrnehmungskräfte – Kräfte wahrnehmen. Dynamiken der Sinne in Wissenschaft, Kunst und Literatur, Berlin-Boston 2024.
- Giotto und die Physiker: Dynamiken des Bildes um 1300, München 2023.
- (Hg. mit Matthew Vollgraff): Ökologien des Ausdrucks, Berlin-Boston 2022.
- (Hg. mit Lutz Hengst, Frederike Middelhoff und Cornelia Zumbusch): Form- und Bewegungskräfte in Kunst, Literatur und Wissenschaft, Berlin-Boston 2022.
- (Hg. mit Philipp Ekardt und Cornelia Zumbusch): Politische Emotionen in den Künsten, Berlin-Boston 2021.
- Quasi vivo. Lebendigkeit in der italienischen Kunst der Frühen Neuzeit, Berlin-Boston 2021.
- (Hg. mit Joris van Gastel): Nature and the Arts in Early Modern Naples, Berlin-Boston 2020.
- (Hg. mit Cornelia Zumbusch): Aby Warburg und die Natur. Epistemik, Ästhetik, Kulturtheorie, Berlin-Boston 2019.
- Leonardo da Vinci. Der Impetus der Bilder, Berlin 2019.
- (Hg. mit Robert Felfe und Karin Leonhard): Kraft, Intensität, Energie. Zur Dynamik der Kunst, Berlin-Boston 2018.
- Compendia mundi. Gianlorenzo Berninis ›Fontana dei Quattro Fiumi‹ (1648–51) und Nicola Salvis ›Fontana di Trevi‹ (1732–62), Berlin-München 2008 (= I mandorli, Bd. 7).
- (Hg.): Leonardo da Vinci: Natur im Übergang. Beiträge zu Wissenschaft, Kunst und Technik, München 2002.
- Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis, Tübingen 1997.
- Die Goldene Madonna im Essener Münster. Der Körper der Königin, Ostfildern 1996.
Reihenherausgeber:
- Imaginarien der Kraft (mit Cornelia Zumbusch), Berlin-Boston (De Gruyter)
- DE NATURA, Berlin (Matthes & Seitz)
- Naturbilder (mit Robert Felfe und Iris Wenderholm), Berlin-Boston (De Gruyter)
Aufsätze und Essays:
- Die Erde als Geschoss. Leonardos Phantasmagorien der Kraft (Codex Madrid I fol. 0 recto), in: Julia Saviello / Katharina Bedenbender (Hg.), Dramaturgien von Bild und Raum. Festschrift für Hans Aurenhammer, Berlin 2024, S. 71–79.
- Rilievo schiacciato: Donatello und die Kräfte der Skulptur, in: Neville Rowley (Hg.), Donatello. Die Erfindung der Renaissance, Ausst.-Kat. Gemäldegalerie SMPK Berlin, Leipzig 2022, S. 59–67. (engl: Rilievo schiacciato. Donatello and the Forces of Sculpture, in: Neville Rowley (ed.), Donatello. Inventor of the Renaissance, Leipzig 2022, S. 59–67.)
- Leonardo’s Listener (Milan, Pinacoteca Ambrosiana): Power and Weakness of la sorella della pittura, in: Paola Cordera / Rodolfo Maffeis (Hg.): Leonardo: Arte come progetto. Studi di storia e critica d'arte in onore di Pietro C. Marani, Mailand 2022, S. 13–17.
- Trasgressioni, in: Paolo Galluzzi / Alessandro Nova (Hg.): Decoding Leonardo's Codices. Compilation, Dispersal, and Reproduction Technologies, Venedig 2022, S. 35–52.
- "Many children will be mercilessly beaten from the arms of the mothers... and then crushed". Leonardo and the Media of Horror, in: Jürgen Renn et al. (eds.), Leonardo's Intellectual Cosmos, Florence - Milan 2021, S. 281–285. (dt. Ausgabe ebenfalls 2021)
- Leonardo: il potere della paura, in: Pietro C. Marani (Hg.), L’ultimo Leonardo 1510-1519. Leonardo tra Milano, Roma e Amboise: committenze, progetti, studi fra arte, architettura e scienza, Busto Arsizio 2021, S. 19–25.
- Die Kräfte der Künste. Zur Einleitung (mit Robert Felfe und Karin Leonhard), in: Frank Fehrenbach / Robert Felfe / Karin Leonhard (Hg.): Kraft – Intensität – Energie. Zur Dynamik der Kunst, Berlin-Boston 2018, S. IX–XIX.
- Sfondare. Landschaft als Kraftraum, in: Frank Fehrenbach / Robert Felfe / Karin Leonhard (Hg.): Kraft – Intensität – Energie. Zur Dynamik der Kunst, Berlin-Boston 2018, S. 93-119.
- Rubor/robur. Paris Bordones starke Frauen, in: Sandra Pisot (Hg.): Die Poesie der venezianischen Malerei. Paris Bordone, Palma il Vecchio, Lorenzo Lotto, Tizian, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2017, München 2017, S. 58–71.
- Leonardo's Point, in: Alina Payne (Hg.): Vision and its Instruments, c. 1350-1750, University Park 2015, S. 69–98.
- Der Fürst der Sinne. Macht und Ohnmacht des Sehens in der italienischen Renaissance, in: Horst Bredekamp / John M. Krois (Hg.): Sehen und Handeln, Berlin 2011, S. 141–154.
- Much ado about nothing. Leonardo’s Fight for the Standard, in: Philine Helas et al. (Hg.): Bild/Geschichte. Festschrift Horst Bredekamp, Berlin 2007, S. 395–410.
- Compositio corporum. Renaissance der Bio Art, in: Wolfgang Kemp et al. (Hg.): Vorträge aus dem Warburg-Haus Bd. 9, Berlin 2006, S. 131–176.
- „Komposition”, in: Ulrich Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart-Weimar 2003, S. 178–183; 2. Aufl. 2011, S. 225–230.
- Blick der Engel und Lebendige Kraft. Bildzeit, Sprachzeit und Naturzeit bei Leonardo, in: Frank Fehrenbach (Hg.): Leonardo da Vinci: Natur im Übergang. Beiträge zu Wissenschaft, Kunst und Technik, München, 2002, S. 169–206.
Forschungsprojekte
Giotto und der Impetus der Kunst
Meine geplante Monographie unternimmt den Versuch, die Bedeutung unterschiedlicher Kräftelehren in den visuellen Künsten zwischen Spätmittelalter und Spätbarock, zwischen ca. 1300 und jenseits der wissenschaftshistorischen Wende bis ca. 1750, zu untersuchen. Anstelle der bereits relativ gut untersuchten sympathetischen und magischen Kräfte soll es dabei vor allem um physikalische und physiologische Wirkungszusammenhänge gehen. Eine der Ausgangshypothesen lautet, dass das physikalische Konzept des ›Impetus‹ ästhetische Erfahrungen in den Blick zu nehmen erlaubt, die sich als Ursache-Wirkungsgefüge beschreiben lassen, ohne dafür auf numinose Akteure (Gott, Engel, Dämonen, Seelen) rekurrieren zu müssen. War damit eine Entlastung der Wirkungsästhetik von Kunstwerken gegenüber dem Idolatrieverdacht verbunden?
Die chronologische Koinzidenz zwischen der spätscholastischen Impetusphysik, der Neuformulierung der physikalischen und physiologischen Optik und der Entstehung des neuzeitlichen Bildes in der zweiten Hälfte des 13. Jhdts steht am Ausgangspunkt der Überlegungen. Im Gegensatz zur aristotelischen Wurftheorie behauptet die bis Galileo Galilei dominante Impetusphysik, dass vom Motor ein Wirkungsquantum im Projektil zurückgelassen wird, das diesem ein dynamisches Surplus verschafft. Die sozioökonomischen und sakramentaltheologischen Motive der neuen Physik sind ansatzweise erforscht, nicht aber ihre Parallelen in der arabische Vorläufer aufgreifenden franziskanischen Wahrnehmungstheorie und in der neuen Auffassung vom Bild als Bühne dramatischer Handlungen sowie als Motor emotionaler Reaktionen, mithin als Visualisierung und als Auslöser von Kraftwirkungen, als Speicher eines dynamischen ›Mehrwerts‹. Vermittelt wird dieser durch optische Übertragungen, die von der zeitgenössischen Physik und Physiologie als dynamische Veränderung des Mediums und Radiation von Abbildern der Gegenstandsoberflächen beschrieben werden. Species bzw. simulacra durchstrahlen das durch Licht transparent gemachte Medium und bewirken Veränderungen im Auge und den nachgeschalteten ›inneren‹ Sinnen, die als Intensitäten aufgefasst werden.
Einer der Pioniere des neuen Bildes und seiner auf physiologischen Eindruck und psychischen Affekt zielenden Wirkung, Giotto, führt in der einflussreichsten aller Kunstgeschichten, Giorgio Vasaris Vite aus der Mitte des 16. Jhdts, eine Entwicklung an, die für den Autor auf einer kontinuierlichen Zunahme an forza beruht und in Michelangelo kulminiert, wo sie bezeichnenderweise eine maximale Steigerungsform erfährt, die als terribilità erscheint. Die Semantik der forza ist erst ansatzweise erforscht. Befragt man einen zeitgenössischen Künstler-Wissenschaftler wie Leonardo da Vinci, erhält man die Antwort, dass die Kraft einen dynamischen Übertrag im widerständigen Objekt bewirkt (d.i. der Impetus) und dass sie zugleich den inerten Objekten den Schein des Lebens qua Bewegung verleiht; ähnlich hatte bereits Nicolaus Cusanus argumentiert. Die Monographie will Licht in das komplexe semantische Gefüge der Kräfte bringen. Einerseits muss hierbei die rhetorische Tradition berücksichtigt werden, deren Konzept des ›Pathos‹ als Überwältigungsmodus modellbildend für die Konzeption des physikalischen Impetus war. Andererseits geht es um die Dominanz der aristotelischen Entelechie, bei der die spezifischen Kraftwirkungen als Aktualisierungen intrinsischer ›Vermögen‹ (vires, facultates) im Objekt definiert werden. Die kunsthistorische Zunahme der ›Kraft‹ seit Giotto, die Vasari behauptet, bewegt sich in diesem semantischen Feld. Etabliert die Rede über Kraft auch ein Vergleichskriterium zwischen künstlerischen und natürlichen Hervorbringungen, im Sinne von Tizians ambivalentem, komparativischem Motto (›Natura potentior ars‹) oder von Antonfrancesco Donis Resignation der Kunst gegenüber einer Natur, der für die Produktion jedes Grashalms eine infinita potenza zur Verfügung stehe?
Kräfte der Kunst in der Frühen Neuzeit
Ästhetische Modellierungen der Kräfte der Natur bezeichnen einen gemeinsamen Nenner zeitlich, geographisch und typologisch höchst unterschiedlicher Formen der Bildenden Kunst zwischen den Parietalbildern der Jungsteinzeit und der US-amerikanischen Land Art, zwischen der praxitelischen Venus und Duchamps Großem Glas, zwischen Apelles und Beuys, Prometheus und Pierre Huyghe. Meine geplante Monographie unternimmt den Versuch, systematisch die Bedeutung unterschiedlicher Kräftelehren in den visuellen Künsten zwischen Spätmittelalter und Spätbarock, zwischen ca. 1300 und jenseits der wissenschaftshistorischen Wende bis ca. 1750, zu untersuchen. Anstelle der bereits relativ gut untersuchten sympathetischen und magischen Kräfte soll es dabei vor allem um physikalische und physiologische Wirkungszusammenhänge gehen. Eine der Ausgangshypothesen lautet, dass das physikalische Konzept des ›Impetus‹ ästhetische Erfahrungen in den Blick zu nehmen erlaubt, die sich als Ursache-Wirkungsgefüge beschreiben lassen, ohne dafür auf numinose Akteure (Gott, Engel, Dämonen, Seelen) rekurrieren zu müssen. War damit eine Entlastung der Wirkungsästhetik von Kunstwerken gegenüber dem Idolatrieverdacht verbunden?
Die chronologische Koinzidenz zwischen der spätscholastischen Impetusphysik, der Neuformulierung der physikalischen und physiologischen Optik und der Entstehung des neuzeitlichen Bildes in der zweiten Hälfte des 13. Jhdts steht am Ausgangspunkt der Überlegungen. Im Gegensatz zur aristotelischen Wurftheorie behauptet die bis Galileo Galilei dominante Impetusphysik, dass vom Motor ein Wirkungsquantum im Projektil zurückgelassen wird, das diesem ein dynamisches Surplus verschafft. Die sozioökonomischen und sakramentaltheologischen Motive der neuen Physik sind ansatzweise erforscht, nicht aber ihre Parallelen in der arabische Vorläufer aufgreifenden franziskanischen Wahrnehmungstheorie und in der neuen Auffassung vom Bild als Bühne dramatischer Handlungen sowie als Motor emotionaler Reaktionen, mithin als Visualisierung und als Auslöser von Kraftwirkungen, als Speicher eines dynamischen ›Mehrwerts‹. Vermittelt wird dieser durch optische Übertragungen, die von der zeitgenössischen Physik und Physiologie als dynamische Veränderung des Mediums und Radiation von Abbildern der Gegenstandsoberflächen beschrieben werden. Species bzw. simulacra durchstrahlen das durch Licht transparent gemachte Medium und bewirken Veränderungen im Auge und den nachgeschalteten ›inneren‹ Sinnen, die als Intensitäten aufgefasst werden.
Einer der Pioniere des neuen Bildes und seiner auf physiologischen Eindruck und psychischen Affekt zielenden Wirkung, Giotto, führt in der einflussreichsten aller Kunstgeschichten, Giorgio Vasaris Vite aus der Mitte des 16. Jhdts, eine Entwicklung an, die für den Autor auf einer kontinuierlichen Zunahme an forza beruht und in Michelangelo kulminiert, wo sie bezeichnenderweise eine maximale Steigerungsform erfährt, die als terribilità erscheint. Die Semantik der forza ist erst ansatzweise erforscht. Befragt man einen zeitgenössischen Künstler-Wissenschaftler wie Leonardo da Vinci, erhält man die Antwort, dass die Kraft einen dynamischen Übertrag im widerständigen Objekt bewirkt (d.i. der Impetus) und dass sie zugleich den inerten Objekten den Schein des Lebens qua Bewegung verleiht; ähnlich hatte bereits Nicolaus Cusanus argumentiert. Die Monographie will Licht in das komplexe semantische Gefüge der Kräfte bringen. Einerseits muss hierbei die rhetorische Tradition berücksichtigt werden, deren Konzept des ›Pathos‹ als Überwältigungsmodus modellbildend für die Konzeption des physikalischen Impetus war. Andererseits geht es um die Dominanz der aristotelischen Entelechie, bei der die spezifischen Kraftwirkungen als Aktualisierungen intrinsischer ›Vermögen‹ (vires, facultates) im Objekt definiert werden. Die kunsthistorische Zunahme der ›Kraft‹ seit Giotto, die Vasari behauptet, bewegt sich in diesem semantischen Feld. Etabliert die Rede über Kraft auch ein Vergleichskriterium zwischen künstlerischen und natürlichen Hervorbringungen, im Sinne von Tizians ambivalentem, komparativischem Motto (›Natura potentior ars‹) oder von Antonfrancesco Donis Resignation der Kunst gegenüber einer Natur, der für die Produktion jedes Grashalms eine infinita potenza zur Verfügung stehe?
Selbsterhaltungskraft, Bewegungskraft, inertia, vis attractiva stehen zwischen spätem 16. und 18. Jhdt in einem komplexen physikalischen, physiologischen und physikotheologischen Zusammenhang. Welche Bedeutung hat die erneuerte rhetorische Kategorie des movere für Kunst und Kunsttheorie des Barock vor dem Hintergrund der neuen Naturwissenschaft, die dynamische Übertragungen und Emergenzphänomene der Materie hervorhebt? Welche Rolle spielen Transgressions- und Ausgleichs- bzw. (providentielle) Harmonievorstellungen der Kräfte im Rahmen einer binären Ästhetik zwischen sublime und grace? Und wie lässt sich die Verschiebung fassen, die das seit der Antike dominante rhetorische Modell der Wirkungsästhetik seit dem 17. Jhdt auch für die Bildende Kunst immer deutlicher auf die produktionsästhetische Rolle der Kraft hin öffnet?