Fanti Baum
Vita
Fanti Baum lebt und arbeitet als Künstlerin und Theoretikerin in Dortmund und Frankfurt. Sie agiert in unterschiedlichen Kollaborationen zwischen den Künsten und entwickelt Performances, Installationen, Tanzstücke und ortsspezifische Arbeiten.
2020/2021 war sie Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude und richtete dort einen feministischen Kraftraum ein: ff. – forza femme. Das Atelier als Kraftraum. Zurzeit arbeitet sie mit Claudia Bosse an dem Projekt Place International. Die 73 Tage der Commune oder der lange Wellenschlag der Revolution am FFT Düsseldorf. 2017 zeigte sie zusammen mit Frédéric De Carlo, Joana Tischkau, René Alejandro Huari Mateus und Zwoisy Mears- Clarke das Tanzstück Hors de Combat im Frankfurt LAB und entwickelte 2016 im Rahmen des Frankfurter Implantieren-Festivals die ortsspezifische Arbeit Land/Horses / »the feel of horses long before horses enter the scene« auf der inzwischen abgerissenen Frankfurter Galopprennbahn. 2020 erhielt sie den Künstler*innenpreis der Stadt Dortmund.
2018 und 2020 war sie zusammen mit Olivia Ebert Künstlerische Leiterin des Favoriten Festivals (Theater, Performance, Tanz, NRW). 2019 arbeitete sie als künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt. Zudem lehrt sie Performance in Theorie und Praxis an unterschiedlichen Kunsthochschulen und Universitäten (Universität der Künste Berlin, Hochschule für Gestaltung Offenbach, Akademie der Bildenden Künste München, Institut für Angewandte Theaterwissenschaften Gießen und der Hessische Theaterakademie). Sie ist Mitglied von Independent Dance & Performance Frankfurt.
Publikationen (Auswahl)
- Baum, Fanti/Ebert, Olivia: „Wer spricht, übergibt – Aporien des Gastgebens“, in: Buchberger, Julia/Kohn, Patrick/Reiniger, Max (Hg.): Radikale Wirklichkeiten – Festivalarbeit als performatives Handeln, Bielefeld 2021.
- Baum, Fanti: „Den Aufstand proben – Rehearsing the Revolt“, in: Cheraneva, Katja/Mazliah, Fabrice (Hg.): Artist Summit – Eine Publikation von PACT Zollverein, Essen 2020.
- Baum, Fanti: „Politics of Touch“, in: Ebert, Olivia/Holling, Eva/Müller-Schöll, Nikolaus et al. (Hg.): Theater als Kritik – Theorie, Geschichte und Praktiken der Ent-Unterwerfung, Bielefeld 2018.
- Baum, Fanti/Pistorius, Charlotte: „Thinking (in) Costume – Einige skizzenhafte Überlegungen zur Verabgründung des Kostümbildes“, in: von Gerkan, Florence/Gronemeyer, Nicole (Hg.): Lektionen 6, Kostümbild, Berlin 2016.
- Baum, Fanti / Trautmann, Felix: „Die Politik des Küssens. Im Tumult der Repräsentation“, in: querformat 5, S. 16–26, Bielefeld 2012.
- außerdem: www.performance-magazin.de
Forschungsvorhaben: FORZA FEMME II. NOTHING BUT FAILURE: DIE INFRAGESTELLUNG DES SUBJEKTS IN NAMEN DER KRAFT
ff. –
F wie Kraft
Kraft, die [Substantiv, feminin]
fortissimo – sehr laut, sehr stark, sehr kräftig.
ff. – [energeia/dynamis, virtus, vis, impetus, forza] forza femme
Eine Kraftprobe. Ein Kraftakt. Ein Kraftwerk.
– außer Kraft setzen.
Die Entkräftung.
Fanti Baum fragt im Rahmen ihres künstlerischen Forschungsprojekts forza femme, was Kraft überhaupt ist: [energeia/dynamis, virtus, vis, impetus, forza] forza femme – und versucht den Begriff der Kraft mit einer feministischen Perspektive zu konfrontieren. Zugleich richtet forza femme den Blick auf das Diktum des Künstlers: sein Nicht-Können, erforscht zwischen Muskelmasse und Eisenstangen how the world might be otherwise und lauscht den Forderungen der Formen, das zu formieren, was jede Form übersteigt –
»I AM IN TRAINING – DON’T KISS ME«.
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Was bisher geschah:
ff. – forza femme: das Atelier als Kraftraum
Im Rahmen ihres achtmonatigen Stipendiums richtete Fanti Baum im Atelier der Akademie Schloss Solitude einen Kraftraum ein. Dieser sollte zunächst dazu dienen, inmitten der Kunst Kraft zu schöpfen und zugleich körperlich kräftig zu werden. ff. – forza femme: für die Herausforderung des Lebens und der Kunst. Denn auch in der Kunst gilt, das Atelier ist die Grande Boucle Fémine Internationale. Im Anschluss daran fanden in realen oder fiktiven Krafträumen Gespräche mit Künstler*innen, Athlet*innen und Wissenschaftler*innen über den Begriff der Kraft statt (finanziert mit Mitteln von Auf geht’s – Stipendium für freie Künstler*innen aus NRW).
Forschungsergebnisse: FORZA FEMME II. NOTHING BUT FAILURE: DIE INFRAGESTELLUNG DES SUBJEKTS IN NAMEN DER KRAFT
Nach der Arbeit an der Installation forza femme: Das Atelier als Kraftraum im Studio der Akademie Schloss Solitude, diente der Aufenthalt an der Hamburger DFG-Kolleg-Forschungsgruppe Imaginarien der Kraft vor allem der intensiven Lektüre von Kraftbegriffen und der Frage, wo sich theoretische und ästhetische Texte, Materialen, Ideen finden lassen, die sich einem klassischen Verständnis von Kraft entziehen und in denen sich queer-feministische Positionierungen mit und gegen Kraft erkennen lassen. Aus künstlerischer Perspektive blieben auch während der Zeit im blauen Eismeer – es könnte keine besseren Ort geben, um im Denken verloren zu gehen – Fragen nach Übersetzungen in die eigene künstlerische Praxis virulent. Die Zeit des Zu-Gastseins als Künstlerin in der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe Imaginarien der Kraft bot die beeindruckende Möglichkeit für einen interdisziplinären Austausch, der mein Denken noch lange begleiten wird.
Über den gemeinsamen inspirierenden Austausch (über Leib/ Körper, Bewegung, Dynamik) hinaus, fand eine intensive Lektüre der Texte von Judith Butler, Barbara Gronau, Elfriede Jelinek, Kathy Acker, Paul B. Preciado und Claude Cahunstatt sowie eine vertiefte Auseinandersetzung mit Konzepten von feministischer Schwerkraft und Counterweight, radikaler Sorge und Fürsorge, genauso wie eine Untersuchung von Kraftstoffen wie Riechsalz, Ecstasy und Testosteron. In der Lektüre der Kraftbegriffe und -texte stellte sich zugleich immer auch die Frage nach dem Potential der Entkräftung, der powerlessness, der Schwäche, von Haltekräften und der Möglichkeit der Fugitivität.
Entstanden sind Konzeptionen von Kraftdialogen, Scores für ein Happening, 3: einen Dreiklang aus Kraftprobe, Kraftakt und Kraftwerk, die in ihrer Ausführung Momente des Ver-Übens, der Ent-kräftung und der Ent-werkung fokussieren.