Agnieszka Dziki, M.A.
Vita
Agnieszka Dziki schreibt ihre Dissertation über die Rezeption unvollendeter und unvollständige Objekte im Heiligen Römischen Reich zwischen 1500 und 1600 unter der Betreuung von Professor Grażyna Jurkowlaniec (Universität Warschau) und Professor Aleksandra Lipińska (Universität Köln). Das Projekt wird durch ein Forschungsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und durch das Nationale Wissenschaftszentrum Polens (PRELUDIUM 18) unterstützt. Nach ihrem Bachelor-Abschluss am Institut für Kunstgeschichte der Universität Warschau setzte sie ihr Studium am College of Inter-Area Individual Studies in the Humanities and Social Sciences der Universität Warschau fort; sie studierte auch an der Universität Kopenhagen und der Ludwig-Maximilians-Universität München (GFPS-Stipendium). Ihre Masterarbeit "Kleinplastik in Ulm und am Oberrhein: Formen und Funktionen von Objekten in den Jahren 1430 bis 1530" schloss sie 2018 ab. In den Jahren 2019-2023 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem vom Nationalen Wissenschaftszentrum Polens geförderten Projekt "Matrix of Confusion. The Production of Woodcut Illustration in Poland-Lithuania and Prussia until the Early 17th Century" (OPUS 16, Projektleiterin: Prof. Grażyna Jurkowlaniec). Im Jahr 2021 ist Agnieszka Mitorganisatorin der Konferenz " Modelled, Fired, Transformed: Materiality of Terracotta Sculpture 1400-1600". Sie lehrt über die Materialität von Bildern in der spätmittelalterlichen Kunst.
Publikationen (Auswahl)
- “I carve my figures fine and make them come to life. The Animation of Late Medieval Kleinplastik”, in: The Living Image in the Middle Ages – and beyond. Theoretical and Historical Approaches, hg. von Kamil Kopania und Henning Laugerud, New York und London: Routledge, 2023 (im Erscheinen).
- “Introduction: Materiality, Scale, and Status of Early Modern Terracotta”, in: The Materiality of Terracotta Sculpture in Early Modern Europe, hg. von Zuzanna Sarnecka und Agnieszka Dziki, New York and London: Routledge, 2023, S. 1–11.
- “Welsch kontra Deutsch: nowa rzeźba kolekcjonerska w Szwabii i nad Górnym Renem w latach 1470-1530”, in: Novitas versus auctoritas w sztuce średniowiecznej. Studia dedykowane Profesorowi Piotrowi Skubiszewskiemu w dziewięćdziesiątą rocznicę urodzin, hg. von Jakub Adamski und Juliusz Raczkowski, Toruń–Warszawa, 2022, S. 219–242.
- “Three Crucifixes in the Amerbach Collection and the incomplete small-scale sculptures”, in: Quart. Kwartalnik Instytutu Historii Sztuki Uniwersytetu Wrocławskiego 57, no. 3 (2020), S. 47–59.
Forschungsvorhaben: Halb roh/halb transformiert: Das Sammeln von Schnitzereien und ihren natürlichen Oberflächen im frühneuzeitlichen Deutschland (1550-1650)
In diesem Projekt soll untersucht werden, wie partiell veränderte Substanzen (Buchsbaumskulptur, Bergkristallintaglio, Walrossschnitzereien und einem Kompass in Gips) als Erklärungs- und Untersuchungsinstrumente für den Sammler dienten. Obwohl die handwerklichen Herstellungsprozesse nur unzureichend durch Texte vermittelt wurden, scheint das Studium der tatsächlichen Darstellungen (Buchillustrationen, verschiedenen Entwürfen und teilweise rohe Objekte) für die wirksame Vermittlung von Wissen über die Kräfte entscheidend zu sein. Die vorläufigen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich frühneuzeitliche Gelehrte für natürliche und künstlerische Prozesse zu wirtschaftlichen Zwecken und zur Erlangung von Kenntnissen über künstliche Geschicklichkeit (z. B. im Bergbau) zu interessieren begannen. Ich möchte argumentieren, dass die Meditationen über halb rohe/halb transformierte Objekte und ihre sinnlichen Qualitäten als ein verwandtes Modell der Wissensübertragung dienten. Ich werde eine Gruppe von fünf Schnitzereien aus verschiedenen historischen Sammlungen (Basel, München, Innsbruck, Wien) analysieren, die sowohl als schönste Beispiele für die Geschicklichkeit der menschlichen Hand als auch als Stoff für die Erforschung der Naturkräfte in den städtischen oder fürstlichen Sammlungen dienen könnten. Die Hauptforschungsziele bestehen darin, zu untersuchen, wie sie die Gelehrten dazu inspirierten, Wissen über die Techniken und Technologien zu erlangen, in welchen Kontexten halb rohe/halb transformierte Schnitzereien und Geräte (Werkzeuge, Maschinen, Entwürfe, Druckformen) in den Sammlungen funktionierten und inwieweit sie das Verständnis für Werkstattpraktiken und die Kräfte der Erde ermöglichten.
Forschungsergebnisse: Halb roh/halb transformiert: Das Sammeln von Schnitzereien und ihren natürlichen Oberflächen im frühneuzeitlichen Deutschland (1550-1650)
In den Kunstkammern des frühneuzeitlichen Deutschlands bot das Spiel zwischen Bekanntem und Unbekanntem intellektuelle, emotionale und taktile Reize. Hier wurden Objekte gesammelt, die sowohl Handwerkskunst als auch Natur vereinten, und ihre Bedeutung wechselte ständig zwischen den Kategorien naturalia und artificialia.
Bildhauer wurden von Sammlern ermutigt, Formen so zu schneiden, dass sie den Eigenschaften des Materials entsprachen. Die Rückseite des Walrossreliefs mit einem Einhorn wurde so geschnitzt, dass sie wie das rohe und geriffelte Horn eines Narwals aussieht [ca. 1500, Historisches Museum Basel]. Diese wurden als zu den Einhörnern gehörig betrachtet, daher bemühte sich der lokale Handwerker, den Kunden davon zu überzeugen, dass dieses Fragment eines Walrosszahns tatsächlich das Horn des mythischen Tieres sei. Der Sammler Bonifacius Amerbach beschrieb dieses Objekt in 1552 als "ein Einhorn in einem Einhorn", was die Verbindung von Material und Form verdeutlicht.
Ähnliche Objekte aus halbverarbeiteten Materialien fanden sich in den Sammlungen von Ferdinand II. (Schloss Ambras) und Albert V. (Münchener Hof), in Form von Kompass (1587, Vienna, Kunsthistorisches Museum) und Bergkristallintaglio (Valentin Drausch, 1586, Munich, Bayerisches Nationalmuseum), die sowohl natürliche als auch künstlerische Prozesse zeigten. Eine bemerkenswerte Skulptur ist die Abundantia (Leonhard Kern, 1647, Vienna, Kunsthistorisches Museum), ein teilweise unbearbeiteter Walrosszahn, der seine rohe Substanz neben kunstvoll geschnitzten Details demonstriert.
Diese halb transformierten Schnitzereien beweisen nicht nur die Virtuosität der Bildhauer, sondern auch die Schönheit und den Reiz der natürlichen Oberflächen. Die Kontraste zwischen bearbeiteten und rohen Teilen offenbarten den Kennern die Geheimnisse der Kunstfertigkeit und brachten Bewunderung hervor. In den Kunstkammern wurden so künstlerische und natürliche Prozesse auf faszinierende Weise vereint und erlebt. Die manuellen Kräfte, die die Formen gestalten, betonen das dynamische Zusammenspiel zwischen der Genialität des Bildhauers und der natura naturans, den sich selbst manifestierenden Energien der Natur. Diese Synergie würdigt die rohe Vitalität der natürlichen Materialien und zeigte gleichzeitig die menschlichen Formkräfte, sie zu nutzen und zu verwandeln.