Magdalena Grüner, M.A.
Foto: Isabel James
Vita
Magdalena Grüner ist Kunsthistorikerin und beschäftigt sich mit den Verflechtungen von Kunst und Meereswissenschaften im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie wurde 2025 mit einer Dissertation zu „Abyssal Visions. The Science/Fictions of the Bermuda Oceanographic Expeditions“ an der Universität Hamburg promoviert. Zuvor studierte sie Kunstgeschichte, Philosophie und Design in Madrid, Wien und Hamburg. Ihre Forschung wurde von der Gerda Henkel Stiftung, der Princeton University Library, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie dem Getty Research Institute gefördert, wo sie 2023/24 („Art and Technology“) als Predoctoral Fellow tätig war. Bevor sie als Junior Fellow an der Kolleg-Forschungsgruppe Imaginarien der Kraft aufgenommen wurde, war sie als Scholar in Residence am Deutschen Museum für Meisterwerke der Wissenschaft und Technik in München. Ab dem akademischen Jahr 2025/26 ist sie Postdoctoral Fellow der Society of Fellows in the Humanities an der University of Southern California.
In ihrem aktuellen Buchprojekt mit dem Arbeitstitel Claiming Truth, Picturing Doubt: The Painted Epistemologies of the Bermuda Oceanographic Expeditions (1929-1940) untersucht Magdalena die visuellen Objekte und Bildpraktiken dieser Expeditionen, die als Schauplatz der ersten bemannten Tiefsee-Tauchgänge Prominenz erlangten. Das Buch verbindet die Felder der Kunstgeschichte und der Wissenschaftsgeschichte duch den methodischen Rahmen der Critical Ocean Studies. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die widerspenstigen und schwer fassbaren Facetten vergangener wissenschaftlicher Aktivität sichtbar zu machen. Diese wiederum bieten eine fruchtbare Grundlage für die Befragung gegenwärtiger und zukünftiger Erkenntnismodelle – vermittelt durch die epistemische Kraft von Meerwasser.
Publikationen (Auswahl)
- One Photograph: Claiming Truth, Picturing Doubt. Or: When Knowledge and Ignorance meet in an ‘Empty’ Picture, Photography and Culture (in Vorbereitung).
- Sie haben uns ein Denkmal gebaut (und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut.), mit Nina Lucia Groß, in: Lerchenfeld #60, Feb. 2022, S. 64–68.
- Coded Gaze & Male Default. Feministische Perspektiven auf digitale Kunstgeschichte, mit Nina Lucia Groß, in: Kritische Berichte, 4/2020, S. 67–76.
- The Pages of Day and Night. Von Saatgut-Tresoren und Herbarien in Pia Rönickes Arbeit, in: Ina Jessen, Isabella Augart (Hg.): Metabolismen. Nahrungsmittel in der Kunst, Hamburg 2020, S. 41–54.
- „It seemed we were a kind of a show.“ Pierre Huyghes Zoo-Dramen, mit Kathrin Rottman und Tim Jegodzinski, in: Tierstudien 09, 2016, S. 147–157.
Forschungsvorhaben: Claiming Truth, Picturing Doubt: On the Epistemic Potential of Uncertainty
Mein Projekt untersucht, wie wissenschaftliche Bilder nicht nur Wahrheitsansprüche stellen und reflektieren, sondern auch Unsicherheit, Zweifel und Unwissen als aktive Kräfte wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse sichtbar machen. Sowohl Wissenschafts- als auch Kunsthistoriker:innen haben die vermeintliche Objektivität wissenschaftlicher Bilder hinterfragt, auf das Spannungsverhältnis zwischen idealisierter Objektivität und materieller Widerständigkeit hingewiesen und das notwendige Scheitern des ‚wahren Bildes‘ diskutiert. Dennoch bleibt oftmals die Grundannahme bestehen, dass wissenschaftliche Bilder einseitig auf die Darstellung von Gewissheit, Wissen und Wahrheit ausgerichtet sind – als wären Zweifel, Ungewissheit und Ambivalenz lediglich deren Scheitern und nicht integrale Bestandteile ihres Potenzials.
Es wurde jedoch jüngst darauf hingewiesen, dass Nichtwissen sehr wohl über eine eigene epistemische Kraft verfügt und eine zentrale Dimension von Wissensproduktion darstellt. Ziel meines Projektes ist es, diese Einsichten in die Kunstgeschichte einzuspeisen und piktoriale Reflexionen von Nichtwissen als epistemisch wirksam zu betrachten. Anstatt wissenschaftliche Bildproduktion als linearen Weg zum Wahrheitsanspruch zu begreifen, verstehe ich sie als oszillierenden Prozess zwischen Verifikation und Zweifel, Gewissheit und Ungewissheit, Wissen und Nichtwissen. Wie wurde Ungewissheit bildlich artikuliert und reflektiert? Lässt sich ein visuelles Regime des Unwissens identifizieren – und wie könnte es aussehen?
Ausgehend von meiner Dissertation über Darstellungen submariner Räume im frühen 20. Jahrhundert, soll der Blick auf die Frage gerichtet werden, wie wissenschafliche Bilder Raum für Nichtwissen schaffen, wie derartige Bilder konventionelle Narrative von Rationalität und Fortschritt und als vielschichtige visuelle Objekte eigene Wahrheitsansprüche infrage stellen. Durch ein differenzierteres Verständnis wissenschaflticher Bildproduktion soll das Potenzial von Ambiguität und die epistemische Kraft von Nichtwissen in den Vordergrund rücken.