Carolin Slickers, M.A.
Vita
Carolin Slickers ist Stipendiatin des Deutsch-Italienischen Promotionskollegs der Universitäten Bonn und Florenz. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaften an den Universität Bonn, der Sorbonne Paris IV, und der University of St Andrews. In ihrem Dissertationsprojekt Infinite Infrastructures: Oil's Spatial Relationships in 20th Century Literary Fiction erforscht sie literarische Raumimaginarien in europäischer Petro-Fiktion. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Energy und Infrastructural Humanities sowie Gender Studies und feministische Literaturgeschichte. Sie ist Teil des DFG-Netzwerkes „Literatur und Energie“.
Publikationen (Auswahl)
- Reading Energy: Literatur(-Wissenschaft) im Feld der ›Energy Humanities‹, in: Literatur und Zukunft. Beiträge zum Studierendenkongress Komparatistik 2022, hg. von Lara Ehlis, Berlin: Christian A. Bachmann, 2024, S. 113–128.
Forschungsvorhaben: Infinite Infrastructures: Oil's Spatial Relationships in 20th Century Literary Fiction
Das Dissertationsprojekt befasst sich mit Infrastrukturen des Erdöls in literarischen Texten (petrofiction) und speist sich aus den Erkenntnissen des spatial turns wie den Forschungsbereichen der Petrocultures und der Infrastructural Humanities. Das Projekt geht der Frage nach, inwiefern dem Erdölkomplex eine potenzielle (zeitliche und räumliche) Endlosigkeit eingeschrieben ist und wie literarische Raumbeziehungen durch das Petroleum re-strukturiert werden. Die Arbeit beschäftigt sich mit einem breit aufgestellten Korpus von Erzähltexten aus Österreich (Othmar Franz Langs Männer und Erdöl), Italien (Pier Paolo Pasolinis Petrolio, Italo Calvinos La pompa di benzina), der DDR (Kurt Barthels Terra Incognita), Schottland/UK (George Brown MacKays Greenvoe, Al Alvarez Offshore) und dem französischen Sprachraum (Sandrine Bessoras Petroleum, Jean Rolins Ormuz).
Petrofiction sowie der gesamte Konnex der Energieliteratur stellen unsere Lektüren und Instrumente in Frage, ebenso wie unsere Auffassung von dem, was Literatur ist und leistet. Im Sinne des Semester-Themenschwerpunktes „Widerstand“ spürt das Projekt verschiedenen Konstellationen von repräsentativem, ästhetischem und epistemologischem Widerstand von Erdöl nach.
Forschungsergebnisse: Infinite Infrastructures: Oil's Spatial Relationships in 20th Century Literary Fiction
Das Forschungsprojekt legt den Schwerpunkt auf die Frage der Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit des Erdöls in unserer Gegenwart und seiner scheinbaren Unterbetonung als eine ästhetische oder diskursive Form in den Künsten, der Kulturproduktion und Geisteswissenschaften. Exemplarischer Fokus liegt hier auf der Erzählliteratur des 20. Jahrhunderts im englisch-, französisch-, deutsch-, und italienischsprachigen Raumes. Diese Annahme einer kulturellen Abwesenheit bei gleichzeitigem evidentem gesellschaftlichem Einfluss ist im Bereich der Petrocultures Forschung vielfach diskutiert worden, jedoch selten mit Blick auf Epistemologien der Kraft.
Das Forschungsprojekt hat diese Betrachtungen des Kraftbegriffes herangezogen, um aufzuzeigen, dass Vorstellungen von Kraft und Kräftedynamiken wie die der artistotelischen privatio neue Perspektiven bieten, um in Literatur und Künsten Erdöl nicht nur als Figuration eines Energiesystems, sondern als ein im genuinen Sinne Kraft-Stoff zu diskutieren. Hiervon ausgehend lassen sich literarische Techniken des Entzugs erschließen, egal ob auf medialer, ästhetischer, oder narrativer Ebene, die eine Schnittmenge im Vergleich der ausgewählten Erzähltexte bildet. Im textuellen Entzug werden Kraftperformanzen selbst verhandelt, wenn beispielsweise im Sinne eines Offshoring sowohl das Erdöl, als auch Erkenntnismöglichkeiten diesbezüglich, immer an Orte und Sphären ausgelagert, welche den Texten vorgeblich nicht zugänglich scheinen, Texte also zu Potentialitätsmaschinen werden.
Die Einbindung von Kraft als literarische Dynamik vermag eine produktive Ergänzung zu bisherigen Forschungsansätzen der Energy Humanities, oder in diesem Fall besonders der Petrocultures, zu bilden: So könnte das Versprechen dieser Forschung, unsere Lektüren zu erweitern und zu diskutieren, was Literatur ist und was sie (ganz kräftetheoretisch gesprochen) leisten kann.