Gregor Meinecke, M.A.
Vita
Mit einem Fokus auf Religionsphilosophie studierte Gregor Meinecke an der FU Berlin, an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und an der Universidad Complutense de Madrid Philosophie und Geschichte und schloss seinen Master an der Universität Hamburg im Fach Kunstgeschichte ab. In Florenz assistierte er am Kunsthistorischen Institut von Januar bis Oktober 2021 der Abteilung von Professor Gerhard Wolf, wo er begann, die Darstellungen von Schriften in der italienischen Renaissance zu beforschen und Vorträge über die Erfindung von Pseudoschrift zu halten. In einem studentischen Projekt setzte er sich zudem mit der Fachgeschichte des Kunstgeschichtlichen Seminars der Hamburger Universität auseinander und untersuchte die Freundschaft zwischen dem expressionistischen Künstler Karl Schmidt-Rottluff und dem Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer. Von Oktober 2022 bis März 2023 ist Gregor Meinecke Junior-Fellow der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Imaginarien der Kraft“.
Unter der Leitung von Frank Fehrenbach hinterfragt Gregor Meineckes Dissertationsprojekt „Heilige Schriften und ihre Träger im Bild der italienischen Renaissance“. Meineckes Forschungsinteresse ist es, das Phänomen von Schrift im Bild grundlegend zu verstehen – auch über die Grenzen der italienischen Renaissance hinaus. So setzte er sich jüngst mit der Verwendung von Schriftbildern als politische Botschaften im Protest und im Krieg in Russland und der Ukraine auseinander, um die Formen, Funktionen, Potentiale und Kräfte von Schrift im und als Bild aufzuzeigen.
Publikationen (Auswahl)
- „Heilige Schriften? Buch- und Schriftdarstellungen in der Malerei des Quattrocento“, Hamburg, 2022 (Masterarbeit, unveröffentlicht).
- „Wilhelm Niemeyer und das Problem der Generation“, in: Die Sichtbarkeit der Idee. Zur Übertragung soziopolitischer Konzepte in Kunst- und Kulturwissenschaften, hrsg. v. Iris Wenderholm, Nereida Gyllensvärd und Robin Augenstein, Berlin (in Vorbereitung, 2023).
- „Rembrandt. Gelehrter im Studium“ und „Das Sigillum Dei von John Dee“, Begleittexte zur Ausstellung des Hauptseminars „Natur im Diagramm“ (WiSe 2011/22), Zoologisches Museum Hamburg (im Erscheinen, 2022).
- Ausstellungstexte zum Hauptseminar „Genealogien der Moderne“ (WiSe 2019/20): Wassily Kandinsky / Franz Marc: Der Blaue Reiter sowie Alfred H. Barr: Cubism and Abstract Art (https://www.kulturwissenschaften.uni-hamburg.de/ks/ueber-das-institut/ausstellungen.html#15141387).
- Ausstellungstexte zum Hauptseminar: „Brücken Hamburgs“ (Seminar SoSe 2019): Plakate zur Schwanenwikbrücke, den Hochbahnviadukten und den Landungsbrücken, Dauerausstellung im Kunsthistorischen Seminar, Universität Hamburg. (https://www.kulturwissenschaften.uni-hamburg.de/ks/ueber-das-institut/ausstellungen.html)
- Ausstellungstext zum Seminar „Sammlung Divers. Neusichtung historischer Objekte“: Göttertriade, Historisches Museum, Frankfurt am Main (https://historisches-museum-frankfurt.de/de/fuehrungen/sammlungdivers)
Forschungsvorhaben: Heilige Schriften und ihre Träger im Bild der italienischen Renaissance
Sobald Schrift im Bild auftaucht, findet eine Vermischung zweier Medien statt: Die Rezeption des Sichtbaren oszilliert fortan zwischen dem Lesen intelligibler Inhalte und der Gesamtwirkung des Bildes. Diese Medienreflexion zeichnet sich deutlich in der Kunst der italienischen Renaissance ab, die ich in meiner Dissertation an ausgewählten Werken ergründe. Dabei entscheidet die Lesbarkeit bzw. Unlesbarkeit der im Bild auftretenden Schrift bzw. Pseudoschrift über ihre Funktionen und Rezeptionsbedingungen. Zudem stellte ich die Frage, inwiefern die dargestellte Materialität der Schriftträger, etwa eines Zettels oder eines aufgeschlagenen Buches, eine Rolle für dessen zumeist sakralen Inhalt spielt. Hierbei trägt der Begriff des Schriftträgers eine vielschichtige Bedeutung: So kann ein Schriftträger ebenso eine Person bezeichnen, die dem Betrachter ein aufgeschlagenes Buch präsentiert, um damit möglicherweise auf die Autorschaft zu verweisen. Ein Schriftträger kann jedoch auch im Betrachter selbst gesehen werden, der die Worte einer lesbaren Schrift in sich aufnimmt und fortan korporiert. Schriftträger im Bild bieten daher die Grundlage für die Medienreflexion, die sich im Phänomen der Schrift im Bild widerspiegelt. Die Unterscheidung zwischen lesbaren und unlesbaren Schriften soll dabei den Raum bieten, um auch unlesbare Schriften als Vermittler von Botschaften und die ihnen dadurch zugrundeliegende Kraft zu verstehen.
Forschungsergebnisse: Heilige Schriften und ihre Träger im Bild der italienischen Renaissance
Das Fellowship der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Imaginarien der Kraft“ (2022/23) gab mir die Möglichkeit, mich verschiedenen Fallstudien meiner Dissertation „Heilige Schrift und ihre Träger im Bild der Italienischen Renaissance“ zu widmen. Dabei war der gemeinsame Kern meiner Forschungen, das Auftreten und die Funktion von (un)lesbaren Schriften zu untersuchen und sie im Zusammenhang mit ihren Schriftträgern zu interpretieren.
Zwei Fälle entstammten dem malerischen Oeuvre zweier italienischen Renaissancekünstler: Filippo Lippi und Andrea Mantegna, die virtuos sowohl mit der Lesbarkeit von Schrift, als auch mit der Materialität ihrer Träger umgehen. Lesbare und unlesbare Schriften werden ostentativ gegenübergestellt, um visuelle Kontraste zu erzeugen, die ebenso theologische Gedanken evozieren. Dabei sind die Schriftträger (Cartellini, Bücher, Textilien, Nimben) entscheidend für die Interpretation, je nachdem, wie sie miteinander interagieren. Mantegna treibt dieses Spiel in seinem Ecce Homo (ca. 1500) auf die Spitze, indem er eine unlesbare Schrift auf der Stirn eines Schriftgelehrten im Kontrast zu Bibelzitaten auf Cartellini inszeniert und auf die Ketzerkrone von Jan Hus verweist. Insofern fügt sich das Werk in einen komplexen, antisemitischen Diskurs des Mantuaner Hofes Ende des 15. Jahrhunderts ein.
Ein literarischer Exkurs zu Heinrich Seuses Verwendung von Schrift hat erwiesen, dass Schrift einerseits in ihrer apotropäischen Wirkmacht, gleichzeitig aber auch in ihrer Wertigkeit als didaktisches Medium anders funktioniert als gesprochene Worte und diese sogar übertrumpfen kann.