Adler: Kraftfelder der Geschichte. Walter Benjamins Moskauer Erträge
Caroline Adler, M.A.: Kraftfelder der Geschichte. Walter Benjamins Moskauer Erträge
Das Forschungsprojekt verortet Walter Benjamins Aufsatz Moskau als Ertrag seiner Reise in das postrevolutionäre Moskau im Winter 1926/27 historisch und systematisch im Rahmen Benjaminscher Schreibpraxis. Im Zentrum stehen dabei sowohl das Darstellungsverfahren der Konstruktion von Benjamins sogenanntem Moskauer Tagebuch hin zur Form(ierung) des Aufsatzes selbst, als auch eine Bewertung dieses Schreibexperiments im Verhältnis zum ‚unaufhörlichen Organisationswandel‘ der jungen Sowjetunion.
Innerhalb jenes von Benjamin als ‚Kraftfeld‘ beschriebenen historischen Momentums gerät der Anspruch auf Anschaulichkeit und Zugänglichkeit mit Formen der Abstraktion, Konstruktion und Montage in Spannung. In Auseinandersetzung mit (beispielsweise) Goethes Begriff ‚Zarter Empirie‘, Friedlaenders Lehre ‚Schöpferischer Indifferenz‘, als auch der sowjetischen Lebenswelt – wie den bildstatistischen Experimenten sowjetischer Pädagogik – bearbeitet Benjamin jenes konflikthafte Verhältnis von Wirklichkeit und Darstellung: „Eigene Gedanken in ein vorgegebenes Kraftfeld einzutragen“, daran sei, so Benjamin, das neue sowjetische Leben gebunden – andererseits sollten Kunst und Literatur als konstruktive Verfahren auch die emanzipative Freisetzung ‚gewaltiger Kräfte‘ für die Revolution ermöglichen.
Angelegt als Benjamin-Studie möchte das Forschungsprojekt darüber hinaus auch einen Beitrag zu einer Neubewertung der Synergien der Moderne leisten, die nicht nur in den Bewegungen der sowjetischen Avantgarde zu finden ist, sondern ihre Aufmerksamkeit auf die pragmatischen Faktoren einer Literarisierung der Lebenswelt und die Reformatierung von Kräfteverhältnissen und Wissensordnungen innerhalb historischer Ausnahmesituationen lenkt.