Adler: Walter Benjamins „Moskau“. Literarisierungen der Lebenswelt (abgeschlossen)
Caroline Adler, M.A.: Walter Benjamins „Moskau“. Literarisierungen der Lebenswelt
Im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts stand Walter Benjamins Aufsatz „Moskau“ (1927), den der deutsch-jüdische Autor und Kritiker für das ökumenische Journal Die Kreatur nach seiner Reise in die Hauptstadt der jungen Sowjetunion im Winter 1926/27 schrieb.
Ausgehend von einer konflikthaften Editions- und Rezeptionsgeschichte, in der „Moskau“ vor allem als anschauliches ‚Städtebild‘ rezipiert und die Aufmerksamkeit oft zugunsten des von intimen Geständnissen und politischer Positionsbestimmung geprägten, auf der Reise geführten Moskauer Tagebuchs vernachlässigt wird, leistet die Arbeit eine detaillierte Materialanalyse und Lektüre von „Moskau“ als Form einer Literarisierung sowjetischer Lebenswelt. Im Zentrum der Analyse stehen dabei sowohl das Darstellungsverfahren der Konstruktion vom Moskauer Tagebuch hin zur literarischen Form(ierung) des Aufsatzes selbst, als auch eine Bewertung dieses Schreibexperiments im Verhältnis zum „unaufhörlichen Organisationswandel“ (Benjamin) der Sowjetunion 1926/27 – nur wenige Jahre nach Lenins Tod und geprägt von Spannungen im öffentlichen Leben, die eine kritische Reflexion auf die (eigene) Rolle der freien Intelligenz nach sich zogen.
Die Dissertation stützt sich dabei auf den zuletzt erschienenen Band 14 der Kritischen Gesamtausgabe Werke und Nachlaß Walter Benjamins, der bislang unedierte Stichwortlisten, Entwürfe und Fassungen zum Aufsatz „Moskau“ umfasst und so einen umfassenden Einblick in Walter Benjamins Arbeitsprozesse bietet. Diese Materialien bilden die Grundlage für eine ausführliche Materialanalyse, die darauf abzielt, die textliche Gestaltung und ästhetischen Techniken, die Benjamin in „Moskau“ anwendet, näher zu beleuchten und kritisch zu bewerten, was ihm ausgehend von seinen im Tagebuch dokumentierten Erfahrungen darstell- und mitteilbar schien.
Im Anschluss wird „Moskau“ mit weiteren publizistischen Projekten, die Benjamin im Kontext seiner Moskau-Reise aufnahm, kontrastiert. Es wird gezeigt, wie seine journalistische Produktion mit den Anforderungen und Erwartungen der verschiedenen publizistischen Medien, für die er Aufträge erhielt, kollidierte. Dass diese – teilweise auch gescheiterten – Projekte gleichfalls von einem werkgeschichtlich produktiven Aushandlungsprozess zwischen eigener Erfahrung und öffentlicher Positionierung im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der sowjetischen Lebenswelt zeugen, zeigt die Untersuchung.