Müller: Technische Gewaltbilder (abgeschlossen)
Philipp Müller, M.A.: Technische Gewaltbilder: Anziehung und Abstoßung
Technische Gewaltbilder tilgen und erfordern Abstand. Sie bestimmen unsere Wahrnehmung von und unseren Umgang mit Gewalthandlungen in der Öffentlichkeit maßgeblich mit und prägen den Informations- und Reizhaushalt teils unüberschaubar Gruppen – v.a. in der Online-Berichterstattung. Ebenso geht die Verbindung von Gewalt, Medien und Öffentlichkeit aber auch in zahlreiche Weltaneignungsräume der zeitgenössischen Kunst mit ein. Im Konnex beider Bereiche rücken Wissenschafts- und Alltagspraxis ebenso zusammen wie Ästhetik und Ethik.
Um Wirkungsdimensionen technischer Gewaltbilder zu bestimmen, kommen ihnen häufig Atteste der Kraft zu. Dabei sind sie – zwischen Anziehungs- und Abstoßungskräften pendelnd – nicht bloße Widerfahrnisse, sondern immer auch bewusste Erfahrungsmöglichkeit reflexionsfähiger Betrachter*innen. Diese Perspektive erscheint umso bedeutender, als sich der Betrachter*innenstatus im Hybrid von Massenmedien und sozialen Netzwerken verändert hat. Durch Hybridisierungsformen von Medien setzen sich wiederum gewaltige Kräfte frei. Sofern wir selbst Gewaltbilder und -videos produzieren, rezipieren und teilen, bestimmen wir den medialen In- und Output mit und können uns als ebensolche freigesetzten Kräfte verstehen, die wir aber stets reflektieren und mit denen wir umzugehen lernen müssen. Die Kritik unseres eigenen Nutzungsverhaltens ist dabei essentieller Teil der Ideenentwicklung von Umgangsoptionen mit Gewaltbildern.
Diese komplexe Form von Bild- bzw. Selbstkritik darf als schwer praktikable gesellschaftliche Bildungsherausforderung, vielleicht sogar als bildungspolitische Utopie verstanden werden, denn sie tritt gestaltwandlerisch als immer einzelfallabhängiges Austarieren widerstreitender reflexiver und affektiver Kräfte zwischen uns und den Gewaltbildern in Erscheinung. Doch gerade ihr utopischer Gehalt macht die Bearbeitung dieser Bildungsaufgabe – als Ziel der Dissertation – so notwendig begehrenswert.