Middelhoff: Naturkraft. Zur Kulturgeschichte einer Denkfigur (abgeschlossen)
Dr. Frederike Middelhoff: Naturkraft. Zur Kulturgeschichte einer Denkfigur
Das Projekt erforscht die Begriffs- und Repräsentationsgeschichte dessen, was spätestens seit dem 17. Jahrhundert unter der Bezeichnung ›Naturkraft‹ firmiert und bis in die Gegenwart z.B. im Rahmen der Teilchenphysik, in Form von Erklärungsnarrativen für verheerende ›Naturkatastrophen‹ oder in der Werbung für Ökostrom und Vitamintabletten fortwirkt.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Beobachtung, dass von den Kräften der Natur seit der Frühen Neuzeit nicht nur in der physikalisch-mathematischen, sondern auch in der medizinischen, der naturgeschichtlichen/biologischen, in der (sozio-)ökonomischen, der philosophischen und anthropologischen Diskussion sowie in der ästhetischen Theorie und in der literarischen Fiktion die Rede ist.
Dabei zeichnet sich der Naturkraft-Begriff seit jeher durch zwei Besonderheiten aus: Zum einen bündeln sich hier sowohl naturwissenschaftliche als auch metaphysische Theoreme eines doppelt Unbestimmten (›Natur‹/›Kraft‹). Als ›Naturkraft‹ kann dann sowohl eine göttliche Schöpfungsmacht als auch ein aus ›den Elementen‹ hervorgehender Impuls verstanden werden. Vor allem aber nimmt ›Naturkraft‹ die Gestalt eines heuristischen Modellbegriffs an, der mal den Ursprung der Veränderung nicht-menschlicher Körper erklären soll, mal als angeborenes (re-)generatives Vermögen verhandelt wird, das man für die (psycho-)physische Entwicklung der Organismen verantwortlich macht.
Zum anderen verschärft sich in der Zusammensetzung von ›Natur‹ und ›Kraft‹ das mediale Apriori, das die jeweiligen Begriffe als grundsätzlich explizier- und darstellungsbedürftige kennzeichnet: Naturkraft ist nicht also solche, sondern – wenn überhaupt – erst anhand des sinnlich wahrnehmbaren Ausdrucks einer Zustandsveränderung fassbar, dessen Ursache dann im Kräftespiel einer historisch kontingenten Vorstellung von ›der‹ Natur gesucht wird. (Schrift-)Sprache, Ziffern, Graphen und Bilder konfigurieren daher das (Nicht-)Wissen von den Kräften der Natur.
Vor dem Hintergrund dieser Spannungsverhältnisse fragt das Projekt aus einer kultur- und wissensgeschichtlich informierten Blickrichtung nach der kulturellen Präsenz und ästhetischen Repräsentation, nach der rhetorischen Vermittlung und medialen Transformation sowie nach den Strategien einer Ökonomisierung und Politisierung der Naturkraft-Konzepte vom 17. bis ins 21. Jahrhundert.