Buss: Dynamische Landschaften
Franca Buss, M.A.: Dynamische Landschaften. Mensch und Natur zwischen 1300 und 1850
Die ästhetische Entdeckung der Landschaft gilt als das Ergebnis einer Distanzierung des Menschen von der Natur. In seinem viel zitierten Aufsatz Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft von 1962 hat Joachim Ritter nicht nur die folgenreiche These aufgestellt, dass die Landschaft als ästhetisches Surrogat für die unwiederbringliche Einheit mit der Natur fungiert; ausgehend von Petrarcas Besteigung des Mont Ventoux im Jahr 1336 definiert er die Landschaft zudem als ein Gegenüber, das sich von einem bestimmten Aussichtspunkt darbietet, wenn der praktische Zweck der Natur hinter sich gelassen wird. Mit einem solchen Verständnis von der Natur als Landschaft werden nicht nur der nutzende Gebrauch (uti) und das genießende Betrachten (frui) voneinander unterschieden, sondern zugleich die Kategorie der Kraft für die ästhetische Betrachtung für irrelevant erklärt.
Demgegenüber setzt sich das Forschungsprojekt zum Ziel, die dynamischen Qualitäten der Landschaftsmalerei in der Frühen Neuzeit herauszuarbeiten und damit die Landschaft aus ihrem statisch-visuellen Zugriff zu lösen. Im Zentrum der Betrachtung stehen dementsprechend Landschaftsbilder, die die natürlichen, kulturellen und ökonomischen Kräfteverhältnisse, durch die die Landschaft geformt wird, ästhetisch reflektieren und sichtbar machen. Die Dynamik der Landschaft in den Blick zu nehmen, kann, so die These, aus dem Dilemma zwischen der Objektivierung von Natur einerseits und ihrer nostalgisch-romantischen Überhöhung andererseits herausführen.
Zeitlich bewegt sich das Forschungsprojekt zwischen der sogenannten ‚Erfindung der Landschaft‘ in der Frührenaissance und dem Beginn der Industrialisierung ausgehenden 18. Jahrhundert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Zeiten, die im kunsthistorischen Kanon als Blütezeiten der Landschaftsmalerei gelten und zugleich Wendepunkte beschreiben, in denen das Verhältnis von Dynamik und Landschaftsraum neu bestimmt und reflektiert wird.