Prof. Dr. Daniela Bohde
Foto: Thomas Meier
Vita
Daniela Bohde arbeitet seit 2015 als Professorin für die Kunstgeschichte der Vormoderne an der Universität Stuttgart und leitet das dortige kunsthistorische Institut. Nach der Promotion an der Universität Hamburg war sie als Assistentin am kunsthistorischen Institut der Universität Frankfurt tätig. Verschiedene Stipendien haben sie nach Venedig (Centro Tedesco di Studi Veneziani), Florenz (Kunsthistorisches Institut, Max-Planck-Institut) und Washington (CASVA) geführt. Als Vertretungsprofessorin war sie in Basel, Marburg und München. Ein Heisenberg-Stipendium konnte sie wegen der Rufannahme in Stuttgart nicht antreten.
In ihrer Forschung zur Kunst der Frühen Neuzeit verknüpft Daniela Bohde häufig mediale Fragen mit kulturhistorischen Kontextualisierungen. So hat sie sich in ihrer Dissertation zu Tizian mit dem Verhältnis von Ölmalerei, Körperpolitik und zeitgenössischer Kunsttheorie beschäftigt. Und bei der Untersuchung von Landschaftsgraphiken von Albrecht Altdorfer und Wolf Huber hat sie auch die historische Waldnutzung in den Blick genommen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Geschichte kunsthistorischer Methoden, die sie vor allem für die Zeit des Nationalsozialismus verfolgt hat. Damit verknüpft ist eine Thematisierung der Physiognomik als einer für die Ausbildung der Kunstgeschichte wichtigen Form der visuellen Hermeneutik. Momentan schließt Daniela Bohde ein DFG-Projekt zu „Zeichnungen in Hell und Dunkel auf farbig grundierten Papieren im oberdeutschen Raum um 1500“ ab.
Publikationen (Auswahl)
- Kunstgeschichte als physiognomische Wissenschaft. Kritik einer Denkfigur der 1920er bis 1940er Jahre, Berlin 2012.
- Haut, Fleisch und Farbe. Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians, Emsdetten/Berlin 2002.
- Zwischen Beobachtung und Imagination. Wälder und Bäume in der Graphik Albrecht Altdorfers und Wolf Hubers, in: Daniela Bohde und Astrid Zenkert (Hg.): Der Wald in der Frühen Neuzeit zwischen Erfahrung und Erfindung. Naturästhetik und Naturnutzung in transdisziplinärer Perspektive, Köln 2023, S. 85–119.
- Körper im Helldunkel: Baldungs Imaginationen von Frauenleibern (zusammen mit Anna Schütz und Irene Brückle), in Holger Jacob-Friesen und Oliver Jehle (Hg.): Hans Baldung Grien. Neue Perspektiven auf sein Werk, Berlin/München 2019, S. 204–217.
- Mary Magdalene at the Foot of the Cross: Iconography and the Semantics of Place, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz LXI (2019:1), S. 2–43.
- Blickräume. Der Raum des Betrachters in Passionsdarstellungen von Schongauer, Baldung und Altdorfer, in: Daniela Bohde und Hans Aurenhammer (Hg.): Räume der Passion. Raumvisionen, Erinnerungsorte und Topographien des Leidens Christi in Mittelalter und Früher Neuzeit (Vestigia Bibliae – Jahrbuch des Deutschen Bibel-Archivs Hamburg, 32/33), Bern u. a. 2015, S. 377–411.
Forschungsvorhaben 1: Die Dynamiken von Zeit und Raum in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Passionsdarstellungen
Die Passion Christi wird in der Malerei und Graphik des Spätmittelalters als eine Konstellation von Kräften verstanden. Offensichtlich sind die Manifestationen von Macht, Ohnmacht, Gewalt, Widerstand: Christus wird gebunden, geschlagen, geschleift, verhöhnt, an das Kreuz genagelt, getötet und begraben – gleichzeitig soll sich darin sein ultimativer Sieg erweisen.
Künstler greifen bei der Visualisierung insbesondere auf die Dynamiken des Raums zurück: Raumstrukturen mit ihrem hohen Semantisierungspotential werden zur Darstellung von Machtstrukturen eingesetzt, dienen als Träger der Narration und stiften eine Beziehung zum Raum der Betrachtenden. Das Projekt fragt besonders nach den Momenten, in denen mit Passionsdarstellungen gleichzeitig ein Konzept des Raumes entworfen wird.
Der zweite Fragehorizont gilt der Temporalität. Christus wird durch seine Fleischwerdung der Kraft der Zeit und damit des Todes unterworfen, um diesen dadurch selbst zu bezwingen. Das Leben Christi determiniert den christlichen Zeitvollzug, in der Zeitrechnung, im liturgischen Jahr oder auch den Stundengebeten. Passionsdarstellungen schildern daher nicht nur die dramatischen Ereignisse weniger Tage, sondern reflektieren Zeit. Sie werden dadurch zu einem Paradigma mittelalterlicher Bilderzählung.
Die Dynamiken von Zeit und Raum lassen sich besonders gut in Stundenbüchern untersuchen. Die zu erblätternde Buchstruktur und die Seitengestaltung bieten ein spezifisches räumliches Dispositiv für die Bilderzählung. Und in ihren Illuminationen überblendet sich die Zeitdimension der Nutzer:innen mit der des Lebens Christi. Gleichzeitig zeigt sich in ihnen trotz der meditativen Struktur der auf der Wiederholung des Gleichen beruhenden Gebete eine nahezu exzessive Kraft der sequenziellen Erzählung.
Forschungsvorhaben 2: Die künstlerische Handschrift zwischen Kraft und Widerstand
Das 16. Jahrhundert wird als die Phase der europäischen Kunst gedacht, in welcher der Individualstil des Künstlers ein entscheidendes Konzept wird. Giorgio Vasari etwa scheint mit seiner am Künstler orientierten Kunstgeschichtsschreibung und seiner Aufwertung des Begriffs maniera eine eindeutige Referenz zu sein. Doch hat nach Vasari der perfekte Künstler eine individuelle Handschrift? Oder wäre diese viel eher ein Defizit? Das Forschungsprojekt möchte einen neuen Blick auf die Traktatliteratur des 16.-18. Jahrhunderts werfen und das Spannungsverhältnis von maniera und imitazione untersuchen. Ist die maniera ein Widerstand, der im Dienste der imitazione überwunden werden muss, oder vielmehr ein Modell, das zu imitieren ist? Zahlreiche Künstleranekdoten von der imitierten Handschrift umkreisen das Thema der täuschenden Kopie. Ein Künstler, der keinen Widerstand kennt, wie Goltzius in Karel van Manders Lebensbeschreibung, verwandelt sich immerfort und wechselt die Handschriften.
Das Forschungsprojekt möchte nach den Umkipppunkten fragen, an denen aus Kunstfertigkeit Betrug wird, aus Unvermögen künstlerische Identität und aus Widerstand ein produktiver Faktor.