Prof. em. Dr. Monika Wagner
Vita
Monika Wagner lehrte von 1987 bis 2009 Kunstgeschichte an der Universität Hamburg. Sie studierte zunächst Malerei an der Kunstakademie in Kassel, später Kunstgeschichte, Archäologie und Literaturwissenschaften in Hamburg und London. Sie war wissenschaftliche Assistentin an der Universität Tübingen und leitete das Funkkolleg Moderne Kunst. Ihre Arbeitsschwerpunkte betreffen die Malerei des 18.-20. Jahrhunderts, die Geschichte und Theorie der Wahrnehmung und die Semantik des Materials in der Kunst. Fellowships am Wissenschaftskolleg zu Berlin und dem Getty Research Center in Los Angeles boten die Möglichkeit, die Materialanalysen auf die Architektur auszudehnen. Das gegenwärtige Projekt zur Farbreproduktion entstand am IFK in Wien und konnte an der Bildevidenz der FU Berlin weiterverfolgt werden. Es soll 2021 abgeschlossen werden und in einem Buch „Kunstgeschichte in Schwarz-Weiß. Zum Verhältnis von Reproduktionstechnik und Methode“, münden. Ausgangspunkt war die kleine Studie: „Kunstgeschichte in Schwarz-Weiß. Visuelle Argumente bei Panofsky und Warburg“, in: Schwarz-Weiß als Evidenz, hg. zus. mit Helmut Lethen, Frankfurt, New York, 2015, S. 126-144.
Publikationen (Auswahl)
- Marmor und Asphalt. Soziale Oberflächen im Berlin des 20. Jahrhunderts, Berlin 2018.
- Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne, München 22013.
- William Turner, München 2011.
- Hg. zus. mit Michael Friedrich: Steine. Kulturelle Praktiken des Materialtransfers, Berlin, Boston 2017.
- Hg. zus. mit Dietmar Rübel und Sebastian Hackenschmidt: Lexikon des künstlerischen Materials, München 2010.
Forschungsvorhaben: Kraftfeld Farbe: Auseinandersetzungen um die Farbreproduktion
Dass der Farbe die Kraft des Lebendigen zukommt, zählt zu den Topoi der Kunstliteratur. Gleichwohl spielte die farbige Reproduktion von Kunstwerken selbst in der wissenschaftlichen Literatur, die sich mit der Gattung Malerei befasste, lange Zeit nur eine marginale Rolle. Das wird seit dem frühen 20. Jahrhundert besonders greifbar, als zum einen neue fotografische Aufnahme- und Reproduktionsverfahren enorme Verbesserungen in der Farbqualität erzielten, zum anderen moderne Malerei als „Befreiung der Farbe“ von den Fesseln der Linie gefeiert wurde. Die z.T. heftige Ablehnung der Farbreproduktion lässt sich nicht allein mangelhafter technischer Qualität oder höheren Kosten zuschreiben. Inwieweit Vorstellungen von den affektiven Kräften der Farbe den Vorstellungen von wissenschaftlicher Sachlichkeit und der methodischen Orientierung an den Naturwissenschaften eine Rolle spielten, gilt es ebenso zu untersuchen wie die mit der Reduktion auf Schwarz-Weiß verbundenen Potenziale für neue methodische Ausrichtungen.
Forschungsergebnisse: Kunstgeschichte in Schwarz-Weiß. oder: die „Kraft der Farbe bannen
Mein Projekt fragt nach den Ursachen für die bis in die 1970er Jahre hinein währende Ablehnung von Farbreproduktionen in wissenschaftlichen Publikationen zur Geschichte der Malerei. Im Gegensatz dazu warteten populären Medien seit dem frühen 20. Jahrhundert mit Farbreproduktionen auf. Der akademische Farbenbann lässt sich nicht nur technischen Mängeln und höheren Kosten der Farbreproduktion zuschreiben. Vielmehr setzte sich die Relativierung der Farbe gegenüber der Linie und dem Chiaroscuro, wie dies Vertreter der ästhetischen Theorie jahrhundertelang gepflegt hatten, in der Schwarz-Weiß-Fotografie ebenso fort wie die Tradition grafischer Reproduktionsmedien. Der Aufbau entsprechender Fototheken mit Schwarz-Weiß-Reproduktionen hatte Folgen für die Entwicklung zentraler kunstgeschichtlicher Methoden.
Während meines Fellowships konnte ich mich im Wintersemester 2020/21 auf die Rhetorik der „Kraft der Farbe“ in Texten der Psychophysik des späten 19. Jahrhunderts und Künstlerschriften des frühen 20. Jahrhunderts konzentrieren und ihr Verhältnis zu methodisch relevanten Texten der Kunstgeschichtsschreibung beleuchten. Dabei zeigte sich, dass die als „Befreiung“ von den „Fesseln der Form“ gefeierte „Kraft der Farbe“, mit der Künstler wie manche Kritiker die Malerei der Moderne charakterisierten, ein Problem für die Kunstgeschichte als Wissenschaft darstellte. Dazu trugen auch empirisch arbeitende Wissenschaften wie die Psychophysik bei, die Farbe als subjektiv und durch unkontrollierbare Emotionen aufgeladen charakterisierten; das schien den Wissenschaftsanspruch einer Farbe einbeziehenden Methodik zu gefährden.