Dr. Hana Gründler
Vita
Dr. Hana Gründler ist Permanent Senior Research Scholar am Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, wo sie die Forschungsgruppe „Etho-Ästhetiken des Visuellen“ leitet. Gastprofessuren haben sie an das Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin, an das Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin und an das Kunstgeschichtliche Institut der Universität Wien geführt. Als Bildwissenschaftlerin und Philosophin arbeitet sie an der Schnittstelle von Philosophie und Kunst und lotet dabei insbesondere die ethischen und politischen Implikationen von Kunstwerken und gebauter Umwelt aus. In ihrem aktuellen Buchprojekt untersucht sie, inwiefern Kunst und Philosophie in der dissidentischen Untergrund-Szene der ČSSR als subversive Praktiken verstanden wurden und bettet dieses Narrativ in einen breiteren internationalen Kontext ein, um Europa in seiner ganzen Komplexität kritisch denken zu können. Zu ihren jüngsten Publikationen zählt die erste deutsche Ausgabe und Kommentierung von Leon Battista Albertis moralischem Dialog „Über die Seelenruhe“ (Berlin 2022).
Publikationen (Auswahl)
Monographien:
- Hana Gründler: Wittgenstein. Anders sehen. Die Familienähnlichkeit von Kunst, Ästhetik und Philosophie, Berlin 2008.
- Hana Gründler: Die Dunkelheit der Episteme. Zur Kunst des aufmerksamen Sehens, Berlin 2019.
Editionen:
- Hana Gründler: Giorgio Vasari: Das Leben des Raffael, Berlin 2004, (3., erweiterte und aktualisierte Auflage 2011) (= Edition Giorgio Vasari).
- Leon Battista Alberti: Über die Seelenruhe oder Vom Vermeiden des Leidens in Drei Büchern, hg. eingeleitet und kommentiert von Hana Gründler, mit Katharine Stahlbuhk und Giulia Baldelli, Berlin 2022.
Herausgeberschaften:
- The Announcement. Annunciations and Beyond, hrsg. von Hana Gründler, Itay Sapir und Alessandro Nova, München 2020.
- Phenomenon 'Colour': Aesthetics – Epistemology – Politics, hrsg. von Hana Gründler, Franziska Lampe und Katharine Stahlbuhk, kritische berichte, 2022 (1).
Aufsätze und Rezensionen:
- Hana Gründler: „Orrore, terrore, timore. Vasari und das Erhabene”, in: Translations of the Sublime. The Early Modern Reception and Dissemination of Longinus' Peri Hupsous in Rhetoric, the Visual Arts, Architecture and the Theatre, hrsg. von Caroline van Eck, Stijn Bussels, Maarten Delbeke und Jürgen Pieters, Leiden 2012, S. 83–112.
- Hana Gründler: „Borderline Experiences. Ethics, Art, and Alterity”, in: Log, 2017 (Spring, 40), S. 43–65.
- Hana Gründler: „Schwarz ist nicht gleich Schwarz. Alain Badiou über die leuchtende Nichtfarbe“, in: Regards Croisés. Deutsch-französisches Journal zur Kunstgeschichte und Ästhetik, 2020, S. 165–177.
- Hana Gründler: „Moral des Blicks oder Ethiken des Sehens?“, in: 21: Inquiries Into Art, History, and the Visual. Beiträge zur Kunstgeschichte und visuellen Kultur, 2022 (3, Nr. 2), S. 311–341.
Forschungsvorhaben: Politik der Imagination – Kraft der Solidarität. Inoffizielle Kunst und Philosophie in der ČSSR, 1948–1989
Leitmotiv meines Forschungsvorhabens ist die Frage, inwiefern Kunst und Philosophie in der Untergrundszene der ČSSR als widerständige und transformative Praktiken verstanden wurden, die fest eingefahrene Alltagsroutinen durchbrechen und dadurch die offiziellen, propagandistisch bestimmten Wirklichkeitskonzeptionen entlarven konnten. Anhand der Werke ‚nicht-konformer‘ Künstler*innen und Intellektueller wie Vladimír Boudník, Zorka Ságlová, Jan Vladislav oder Jan Patočka möchte ich näher untersuchen, welche visuellen, literarischen und philosophischen Strategien und Denk- beziehungsweise Lebensformen entwickelt und konkret erprobt wurden, um die mannigfaltigen Grade und Grenzen von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit (im ‚öffentlichen‘ Raum) zu problematisieren und vermeintlich festgeschriebene Kräfteverhältnisse zu hinterfragen. Dabei interessiert mich nicht zuletzt, genauer zu bestimmen, weshalb die Imagination von vielen inoffiziellen Künstler*innen als ein disruptives Vermögen gefeiert wurde, dem ethisch-politisches Potential zugeschrieben wurde. Oder anders – und durchaus auch mit Blick auf die Gegenwart – gefragt: könnte es sein, dass es eine unbestimmte, untergründige, aber dennoch wirkmächtige Kraft der Kunst und des Denkens gibt, die Horizonte der Teilhabe und Freiheit eröffnet und im Sinne Patočkas zu einer „Solidarität der Erschütterten“ führt?