Prof. Dr. Karin Leonhard
Vita
Karin Leonhard, Kunsthistorikerin. 1988-95 Studium der Kunstgeschichte, Neueren deutschen Literatur und Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität, München; 2001 Dissertation “Zur Interieurmalerei Jan Vermeers“; 2004-2011 wissenschaftliche Assistentin an der KU Eichstätt-Ingolstadt; 2009-2011 Fellow am KHI (Max-Planck-Institut) in Florenz; 2011-2013 Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin, 2013-2015 Professur an der Universität Bonn; seit 2015 an der Universität Konstanz. Seit 2014 Ehrenkuratorin des Rijksmuseums Amsterdam. Forschungsschwerpunkte: die Verbindung von Kunst- und Naturtheorien in der Frühen Neuzeit; Methodologie der Kunstgeschichte; neuerdings v.a. der Dialog zwischen Kunstgeschichte und Restaurierungswissenschaften.
Publikationen (Auswahl)
- Das gemalte Zimmer. Zur Interieurmalerei Jan Vermeers, München 2003
- Bildfelder. Stilleben und Naturstücke des 17. Jahrhunderts, Berlin 2013 (mit dem Übersetzungspreis des Börsenvereins des deutschen Buchhandels ausgezeichnet)
- Hg. (zusammen mit Claudia Fritzsche und Gregor J. M. Weber): Ad Fontes! Niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts in Quellen, Petersberg 2013
- Hg. (zusammen mit Tawrin Baker, Sven Dupré & Sachiko Kusukawa): Early Modern Color Worlds, Leiden, Boston: Brill 2015
- Hg. (zusammen mit Frank Fehrenbach & Robert Felfe): Kraft, Intensität, Energie. Zur Dynamik der Künste zwischen Früher Neuzeit und Moderne (De Gruyter 2017)
Forschungsvorhaben: Die Krise der Zeugungskraft im England der Restauration. Zur „ruinierten Vergangenheit“ und „kraftvollen Erneuerung“ zwischen Charles I. und Charles II.
Mich interessiert das Verhältnis von ruinierter Vergangenheit und „Restoration“ im England des 17. Jahrhunderts sowie die Rolle der Zeugungskraft, die die bildende Kunst darin spielt. Mit einer ruinierten Vergangenheit meine ich in unserem Zusammenhang vor allem eine ruinierte Erbfolge, denn mit Hinrichtung von Charles II 1649 war auch die Zeugungskraft des Königs symbolisch außer Kraft gesetzt worden. Die Abschaffung der Monarchie während des Interregnums führte den überlebenden Sohn Charles II für 14 Jahre ins Exil, wo er trotz begrenzter Mittel ein zügelloses Leben führte. Nach der Wiederherstellung der Königswürde 1660 kehrte er in einer umjubelten Prozession nach London zurück, um als letzter englischer König noch einmal die absolute Monarchie auszurufen. Mit seiner Rückkehr eng verknüpft ist die Karriere von Peter Lely, einem ursprünglich aus Westfalen stammenden, dann in Haarlem bei Pieter de Grebber ausgebildeten Maler, der 1643 nach London kam, um sich Aufträge am Hof und weitergehend als Portraitist von Charles I. zu sichern. Während der Zeit des Bürgerkriegs und Interregnums arbeitete er erfolgreich für Chromwell und die Roundheads, doch nach der Rückkehr Charles II. 1660 gelang es ihm, in einem rasanten Karriereschub zum gefeiertsten Maler der Restauration aufzusteigen. Sein Vorbild und in gewisser Weise auch sein tatsächlicher Vorläufer am englischen Königshof war Anthonis van Dyck gewesen; einige Gemälde Van Dycks waren später in seinem Besitz, denn Lely sammelte exzessiv antike Skulpturen und italienische - vor allem venezianische - Malerei und war ein großer Verehrer der Kunst Van Dycks, den er als seinen Ahnherrn verstand und gleichzeitig übertreffen wollte. Ein Teil meiner Untersuchungen wird einem Vergleich dieser beiden Künstler gelten und damit dem Versuch, das Argument der eigenen Erbfolge, das Lely mit Blick auf Van Dyck aufbaut und auf die Auflösung einer symbolischen Ordnung antwortet, mit der veränderten politischen Situation seiner Zeit in Verbindung zu bringen. Zentral ist zunächst die Beobachtung der verlagerten royalen Zeugungskraft vom politischen in den natürlichen Köper des Monarchen - um es auf den Punkt zu bringen: Während Charles I. die royale Erbfolge sichert, weil er an das göttliche Recht zu regieren glaubt, das dem Monarchen angeboren ist und sich weitervererben lässt, umgibt sich Charles II. mit Huren, um Bastarde zu zeugen.