Prof. Dr. Ute Berns
Vita
Ute Berns ist seit 2011 Professorin für Britische Literatur und Kultur an der Universität Hamburg. Zuvor hatte sie Stellen an der Technischen und Freien Universität in Berlin inne, sowie an der Universität Gießen. Sie studierte an der Universität Reading, UK, der Freien Universität Berlin und der University of London, UK. Nach der Promotion zum Thema Mikropolitik im zeitgenössischen britischen Drama (1996) und Arbeiten zur ‚Konstruktion von Subjektivität im englischen Theater der Frühen Neuzeit‘ am Sonderforschungsbereich ‘Kulturen des Performativen’ der Freien Universität Berlin galt ihre Habilitationsschrift dem britischen Dichter, Dramatiker und Naturwissenschaftler Thomas Lovell Beddoes (1803-1849). Seit 2016 ist sie Präsidentin der ‘German Society for Contemporary Theatre and Drama in English’ (CDE). Ihr Arbeitsgebiet ist die britische Literatur und Kultur seit 1750; zu ihren Schwerpunkten gehören Literatur- und Kulturtheorie, Literatur und Kultur der Romantik, sowie Literatur und Wissenschaft/Ökologie.
Publikationen (Auswahl)
- Figurations of Knowledge in British and German Romanticism. (Hg. mit Susan Gustafson). Cluster Issue of European Romantic Review 28.1 (2017).
- Theatre and History: Cultural Transformations. (Hg. mit Verena Keidel und Janina Wierzoch). Contemporary Drama in English 3.1 (2015).
- Science, Politics and Friendship in the Work of Thomas Lovell Beddoes. Delaware: Delaware University Press, 2012.
- Medievalism: A Special Issue of the European Journal of English Studies (Hg. mit Andrew Johnston). The European Journal of English Studies 15, 2 (2011).
- Solo Performances: Staging the Early Modern Self in England. Amsterdam/New York: Rodopi, 2010. Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft.
- The Ashgate Research Companion to Thomas Lovell Beddoes. (Hg. mit) Michael Bradshaw. Aldershot: Ashgate, 2007. The Nineteenth Century Series. (Routledge Paperback 2019).
Forschungsvorhaben: Die Dampfmaschine als spekulativer Gegenstand romantischer Literatur und Wissenschaft
In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts beschreiben Naturforscher und Dichter die biologischen und geologischen Kräfte der Natur in neuen Dimensionen und Zeithorizonten. Zugleich entwickeln und perfektionieren britische Ingenieure und Fabrikanten die Dampfmaschine, deren mechanische Kraft die Lebens- und Arbeitswelt des neunzehnten Jahrhunderts in Großbritannien und darüber hinaus revolutionieren wird. Der so angestoßene, intensivierte Verbrauch fossiler Brennstoffe wiederum führte, wie wir heute wissen, zu einer beschleunigten Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Erdsystem.
In diesem Horizont fragt das hier verfolgte Forschungsprojekt danach, wie britische Dichter und Wissenschaftler zu Beginn dieser Beschleunigung die Kraftwirkung, -übertragung und -transformation der Dampfmaschine imaginiert und vermittelt haben. Welche Analogien und Metaphern, gerade aus dem Feld der Naturkräfte, kamen dabei zum Tragen, und wie wurden, allgemeiner, maschinelle und natürliche Kräfte zueinander ins Verhältnis gesetzt? Am Beispiel eines Textes von S.T. Coleridge wird untersucht, wie literarische, wissenschaftliche und kulturelle Spekulationen über die Risiken und Potentiale der Dampfkraft dichterisch Gestalt gewinnen.
Forschungsergebnisse: Die Dampfmaschine als spekulativer Gegenstand romantischer Literatur und Wissenschaft
Rekonstruiert wurde zunächst ein in der britischen Romantikforschung vernachlässigtes Netzwerk von miteinander im Austausch stehenden Ingenieuren und Dichtern einschließlich Coleridge um das Jahr 1800. In einem historisierenden Ansatz, dem wissenschaftshistorische, ökonomisch-politische und ökologische Parameter eingeschrieben sind, wurde eine Lektüre von Coleridges Ballade „The Rime of the Ancient Mariner“ (1798) vorgelegt, welche das Gedicht als technisch gut informierte Spekulation über den bevorstehenden Beginn der Dampfschifffahrt und den Eintritt in eine beschleunigte, fossil getriebene Welt ausweist. Zum einen wurde argumentiert, dass Coleridges Ballade Thomas Burnets einflussreiche theologisch-kosmologischen Abhandlung, Sacred Theory of the Earth, die bereits hundert Jahre früher verfasst wurde, aufruft. Diese beschreibt die Erde als einen von Naturkräften getriebenen Mechanismus, einen Verbund von „engines“, der auf einen Weltenbrand zusteuert. Zum anderen wurde dargelegt, wie sich das Gedicht auf die zeitgenössische Entwicklung der Dampfmaschine, erste Experimente mit dampfgetriebenen Booten sowie die patentierte technische Anleitung für die Umwandlung von Kräften in James Watts Dampfmaschine bezieht. Auf diese Weise konnten Konzeptionen von natürlich vorkommenden und technisch erzeugten Kräften in zwei verschiedenen wissenschaftshistorischen Tiefenschärfen nachgezeichnet werden, die, so die Argumentation, in Coleridges Gedicht strukturell, narrativ und motivisch auf hellsichtig-spekulative Weise zusammengeführt werden.